Frost & Feuer
EISZEITende
kältestarrende klarheit lichtstill
kristallin knirschet der frosttod
und gleißend gedehnt ist die zeit bis nahe stillstand
ausgeatmet
widerstand -wenn hüllenlos- erstirbt
farbiges -wenn eiszeitergeben- verweiẞt
empfindungen -wenn bewegungsarm- erfrieren
sackgassendzustand
wendenotwendigkeit erwächst
tiefengestaute feuerfurien erwachen
drängende vulkanhitzen ungezügelt
durchbrechen eislähmungslast
abkühlen erweichen erweichen abkühlen
warmfließen
etwas beginnt
Feuer und Eis stellen ein großes Gegensatz-Paar dar und scheinen völlig unverträglich: Das Eis trachtet die Flamme zu erlöschen, und gnadenlos schmilzt das Feuer eisig Gefrorenes - jedes Element in seinem Eigenwesen sorgt für das Verschwinden des anderen, nicht nur wenn es die Oberhand erhält. Ein ruhiges Nebeneinander dieser Entitäten scheint nicht möglich zu sein, eine Unverträglichkeit unumgänglich. Oder entstünde doch ein Gespräch? Ein heftiges zwar, doch könnten die Gegensätze auch wilde Freude aneinander haben. Sie müssten sich nicht als genuine Feinde bekämpfen, sondern den anderen als anspruchsvollen, wenngleich gefährlichen Kontrapart nehmen, um die eigenen Möglichkeiten tiefer auszuschöpfen…
Begegnung zwei extremer Pole entbehrt also nicht einer gewissen Dramatik. Diese Spannung darzustellen verspricht einen intensiven, Energie berührenden Arbeitsprozess. So kann das jeweilige Element in seiner starken archaischen Eigenwesenheit erlebbar werden, gesteigert durch die Konfrontation mit seinem Kontrahenten. Gleichzeitig muss diese Polarität jedoch ausgewogen erscheinen, keine Seite soll mächtiger als die andere sein. Beim Betrachten der Installation darf sich der harte Dialog nicht zugunsten eines Monologes abschwächen. Es ist Anliegen, die raue ursprüngliche Begegnung der Gegensätze zu zeigen. Dass dabei die Lebensfeindlichkeit von Kälte betont wird, ist dem dem Motto der Ausstellung “Eiszeit” geschuldet: keine plakative Darstellung, kein ästhetisierendes Bild soll kluge oder angenehme Empfindungen vermitteln, sondern der Anblick möchte stattdessen all die Unwirtlichkeit im Betrachtenden auslösen, die eine gnadenlos stechende, bis auf die Knochen schneidende, tief auskühlende Kälte einer elementaren Eiszeit für jedwedes Leben bedeutet.
Die Installation zeigt einen festgehaltenen Moment im Begegnungsprozess von Feuer und Eis, möglichst in ausgewogenem Kräfteverhältnis. Doch bald melden sich Fragen nach dem Prozess: War zuerst die Vereisung und brach dann Vulkanfeuer von unten auf? Oder war die Flamme ehemals viel mächtiger und wurde durch Frostkälte verzehrt?
Und: wohin mag diese Begegnung führen, wenn keine Seite die andere zum Verschwinden bringen kann? Könnten sich Eis und Feuer zu einer verträglichen Gemeinsamkeit ergänzen? Würde dann ihre Zweier-Komplementarität zu einem integrierenden “Dritten” führen? Und wenn solch neue Entität entstünde, wie wäre diese zu charakterisieren?
Arbeitshypothese: Notwendig angewiesen auf die polaren Qualitäten von Feuer und Eis ist Lebendiges. Gemeinsam und untrennbar bedingen sie die Ermöglichung von Wachstum und Empfindsamkeit. Unter diesem Blickwinkel bekämpfen sich die Kontrahenten nicht mehr, sondern bilden eine labil sensible Spannungseinheit. Sie sind aufeinander bezogen und gestalten gleichzeitig sich gegenseitig neu. Es braucht von dem einen sowohl wie vom anderen, damit höherwertiges Dasein entstehen kann. Dabei verändern die Elemente ihre ursprüngliche Erscheinung, werden in ihrem Eigensein unscharf und verbergen mildernd ihre wilde ungezügelte Art. In warmem, fließendem Wasser zum Beispiel sind sie fürderhin existent und gleichzeitig tatsächlich friedlich miteinander verbunden - welch Metamorphose gegenüber ihrer ersten unvermittelten und hochdramatischen Begegnung ...
Diese Mischtechnik-Installation aus Rauchbrandkeramik mit Ytong, Glas und Asche ist ein Beitrag zur 8. Winterausstellung von DreiARTig - der Kooperation der drei Kunstvereine Lörrach, Schopfheim und Weil am Rhein. Unter dem Motto “Eiszeit” zeigen 52 Künstler*innen vom13.1.-26.2.2023 in der Kulturfabrik Schopfheim zwei- wie dreidimensional verschiedene Aspekte zum diesem Thema.
Nachtrag (kleine Koinzidenz am Wegesrand): In der Edda gibt es am Anfang der Welt zwei Reiche: Niflheim, das kalte Land aus Eis und Nebel, noch ohne fließendem Wasser, und Muspellsheim, das Feuerland, zu heiß, um dort zu überleben. Aus diesen beiden gebiert sich der Beginn der Geschichte…