Gefäßegefäße

 

… sind Gleichnisse unserer Selbst: Symbole des Gebens und des Nehmens. (Hubert Griemert, 1905-1990, Keramiker, Künstler)

Dieser Satz zielt auf die faszinierende Schnittstelle von Gefäß und Gestalt. Ein Gefäß ist bereit etwas aufzufangen und in sich aufzunehmen. Ein Gefäß ermöglicht Behausung. Das Aufgenommene nimmt dessen Form an, füllt es und begibt sich damit in die gestaltete Welt. Es bekommt im Gefäß einen Ankerpunkt, kann von dort aus wirken und der Welt etwas geben, etwas von sich selbst. Gefäß und Gestalt bezeichnen ein gleichwertiges Dasein.

Ähnliches mag auch Laotse im Blick haben, wenn er sagt: „Aus Ton macht man Töpfe. Aber die Leere in ihnen bewirkt ihre Wesenheit.“

Gefäße repräsentieren eine Form, die etwas umschließt. Sie bergen innen in sich eine Kapazität. Eine zu füllende unsichtbare Leere wohnt ihnen inne und charakterisiert die äußere sichtbare Form. Die Leere wird etwas anderem zur Verfügung gestellt. Und vielleicht ist dieses andere ja sogar existentiell auf diese Leere angewiesen, käme ohne umfassendes Gefäß garnicht in die “Sichtbarkeit”.

In diesem Sinne wäre der menschliche Körper ein Laotse-Tontopf für den Geist, der dies Leer-Gefäß füllt und mit ihm die Seele gebiert. Dann begönne diese Wesenheit zu geben und zu nehmen, zu prägen und zu wirken …, sprich zu gestalten, und zwar in einer ihr charakteristischen Weise, und ein Körperleben lang.

Und obwohl die Gefäßgestalten im Leben wie im Feuer gebrannt eine beeindruckende Festigkeit und Resilienz erwerben können, bleibt ihnen doch eine zentrale Grundzerbrechlichkeit. Und dies sollte im Umgang mit ihnen auch immer im Bewusstsein gehalten werden, selbstverständlich. Darüberhinaus erhalten sie mit den Jahren ein wachsendes Sammelsurium an Narben und Sprüngen und Scharten, was ihnen wundervolles Wabi Sabi verleiht. Töpfe sind auch Geschöpfe … und die Wesenheit bleibt.

Meine keramischen Arbeiten bewegen sich gerne genau in diesem Schnittstellenbereich von Gefäß und Gestalt: Die Vasen zum Beispiel sind funktionelle Vasen und wasserdicht und können Blumenarrangements beherbergen; aber sie sind auch, oder vielleicht eher, künstlerische Objekte jenseits des bloßen Gebrauchszweckes. Sie sind Raumschmuck, mehr noch ausdrucksstarke Gestalten, die sich in ihre Umgebung stellen und diese wiederum durch ihre eigenwillige und asymmetrische Präsenz gestalten, ästhetisch und kunstwerkartig.

„Ich glaube, dass es Sinn macht, Dinge in die Welt zu setzen, die keinerlei Probleme lösen. Und die möglicherweise ihre Bedeutung widerrufen, wenn man ihnen Aufmerksamkeit schenkt.“
(Anton Rejnders, *1955, Keramiker, Künstler)

Genau solch eine sinnvolle Ebene möchte ich anvisieren. Schon seit Sesshaftwerdung der Menschen vor 24.000 Jahren werden Gefäße in die Welt gesetzt. Sie weisen heute wie damals mit Linien und Flächen über sich hinaus und können bei entsprechender Zuwendung in ihrer Gestaltlichkeit neu verstanden werden. Oh, und dann beginnen Gefäße zu erzählen und hören kaum mehr auf…


 
 
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