glänzen glenzen glinzen


 

Glanz - ein anfänglich nur im Deutschen beheimatetes Wort, das aber seit dem 12. Jahrhundert seinen Weg auch in andere nordische Sprachen nahm. Im Althochdeutschen noch in seiner expressiven Bedeutung als „starke Helligkeit, Lichtspiegelung, Pracht, Gepränge“ genutzt, milderte es sich im Mittelhochdeutschen zum „Schimmer“ und zum „Leuchten“. Noch älter (um 1000) aber ist das adjektivitische Verb glänzen (glenzen, glinzen) mit der Bedeutung von „Glanz ausstrahlen, schimmern, leuchten, strahlen, Aufsehen, Bewunderung erregen“. Das Wort Abglanz als „Widerschein, zurückgeworfener Glanz“ entstand hingegen erst im 18. Jahrhundert (1,2).

Interessant sind solche Wortfindungsprozesse. Wann kreieren die Menschen welche Begriffe, um ihren Wahrnehmungen einen Namen zu geben? Woran entzünden sich Empfindungen und Erlebnisse, die zu einer Bewusstwerdung im Wortebilden drängen?
Im Frühmittelalter wird das aktive Aus-Strahlen von Licht erlebt und zuerst mit einem Verb (!) beschrieben: eine Tätigkeit von Schimmern und Strahlen und dadurch ein Bemerkt- und Bewundertwerden ob solcher leuchtenkönnender Fähigkeit.
Zwei Jahrhunderte später im Hochmittelalter wird nun auch der entsprechende statische Zustand beschreibbar: starke Helligkeit, Lichtspiegelung verbunden mit Pracht und beeindruckender (himmlischer, königlicher) Herrlichkeit, incl. der Bewunderung ob solchen Besitzes.
Dann wird überaus spät erst das Wort Abglanz kreiert, wie ein im Widerschein noch Teilhabendürfen an einem fernen und vergangenen Großen …
Und was bezeichnet man heute als Glanz? Wo ist Glanz in der Welt zu erleben?

Ich bemerke es einerseits an meinem dinglichen Gegenüber, wo Licht passiv widergespiegelt und mir zugeworfen wird. Dieser Vorgang spricht von einer gewissen Qualität der Oberfläche. Sie muss fähig sein, die einfallenden Strahlen aufzunehmen und zurückzugeben -- im Gegensatz zu stumpfen Oberflächen, die auch bestrahlt werden, aber das Licht zu großen Teilen schluckend für sich behalten bzw. wirr von sich geben. Das äußere Licht wird nach individuellen Bedingungen oder Fähigkeiten geformt im Zurückstrahlen. Das Gegenüber kann allerdings auch dermaßen hart glänzen, dass Blendung eintritt und man sich lieber ab- als zuwenden möchte. Das empfangene Licht wird dann fast eins-zu-eins wiedergegeben, ein Abtönen durch die Oberfläche findet kaum statt: Glanz wird zur Spiegelung. Lichtquellen wie Sonne oder Lampen würde ich gleicherweise nicht als glänzend beschreiben, eher als leuchtend. Glanz hat also mit dem glänzenden Objekt selber zu tun, welches das aufgenommene Licht verändert wiedergibt. Und hier wäre auch ein Moment von „Abglanz“ zu finden: das Licht einer fremden, fernen Leuchtquelle wird erlebt, wenn auch verwandelt.

Doch beinhaltet der Begriff „Glanz“ andererseits auch eine recht aktive Komponente. Zu dem passiven Angestrahltwerden gesellt sich ja das Moment des Ausstrahlens. Es ist die Fähigkeit zum Glinzen-Glenzen-Glänzen. Ein Gesicht zum Beispiel strahlt von innen und erhält dadurch Schönheit (eine der vielen Definitionen von Schönheit: Inneres wird äußerlich sichtbar). Neben den äußeren Glanz tritt nun ein Innerer Glanz in die Aufmerksamkeit. Dieser zeigt meist eine etwas andere Qualität, ist eher ein Schimmern, ein Leuchten, oft verbunden mit einer Wärme-Empfindung.

Mit meiner Keramik bin ich dem Tonimmanenten Glanz auf der Spur im Suchen nach Wegen, den Ton aus seinem schlichten Trägersein für edlere Glasuren zu holen und ihn so zu behandeln, dass er nicht mehr nur wild-rau-ungeschlacht erscheint, sondern seine ureigenen Glanzfähigkeiten entfalten kann, und ihm dann auch noch seine Lust an der innigen Verbindung mit Feuer und Rauch zu lassen, sodass er deren Spuren aufnehmen, behalten und zeigen kann in einem bienenwachswarmen Glänzen, das von innen herauszukommen scheint …
(siehe auch den Textbeitrag vom 26.9.21 über polierte keramische Oberflächen)

(1) Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache, <https://www.dwds.de/wb/Glanz>, abgerufen am 21.05.2024.
(2) Deutsches Wörterbuch von Jakob und Wilhelm Grimm, Nachdr. München dtv, Bd.7, Erstausgabe 1948 -1894.


 
 
 
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