Rauchbrand: Wege durch Feuer&Rauch

 
 

Ich arbeite Freihand in Quetsch-, Aufbau- und Presstechnik, ohne schnell rotierende Töpferscheibe. Der Klumpen Ton in meiner Hand kann sehr verschieden sein in Körnung, Färbung, Plastizität und bittet so beim Bearbeitetwerden um unterschiedliche Umgehensweisen. Richtet sich die Methode nach dem Material, ergibt sich auf schönste Weise ein Gespräch mit der Substanz.

Meine Tonobjekte entstehen langsam, und das allmähliche Werden gibt mir die Möglichkeit tastend und suchend herauszufinden, welche Gestalt sich formen will. Es braucht Zeit abzuspüren, wo Rundungen stärker betont, Linienführungen hervorgehoben werden sollten, wo ein Gefäß sich öffnen und wo es sich abschließen will, wo ein harmonischer Ausdruck passend ist oder wo gerade auf eine Disharmonie zu verzichten schade wäre. Ein intensiver Prozess und eine gegenseitige Beeinflussung zwischen zaghaft entstehendem Objekt und lauschend gestaltendem Menschen findet statt und führt zu einem ersten physischen Gegenüber. Das Entstehende beginnt sich zu gestalten, und Ungleichmäßigkeiten betonen seine Eigenart.

Sind also lebendig bewegte Oberflächen entstanden, erwarten diese eine Weiterbearbeitung.  Das intensive Gespräch mit dem Gegenstand verändert sich. Momentan verzichte ich auf Muster oder Ritzungen, um von den gebogenen Flächen möglichst wenig abzulenken, und gebe dem Polieren den Vorzug. Je nach Trocknungsfortschritt erfolgt dies anfänglich mit den Fingern oder einem Löffelrücken, doch schon bald mit der glatten harten Oberfläche eines Quarzkristalls. Es kann gar nicht genug poliert und verdichtet werden! Die Wände werden ästhetischer und stabiler, die Oberflächen erhalten eine faszinierende glattsamtweiche Struktur und das Geschöpf eine ausdauernde, tätige, geduldige Zuwendung …

Sind die Objekte leder- oder knochenhart durchgetrocknet, können sie eventuell zusätzlich geölt, mit Schlicker oder Terra Sigillata überzogen und erneut oberflächenverdichtend poliert werden. Ein langsamer Schrühbrand über 24 Stunden bis um die 800° Celsius im Elektro-Ofen schließt an. Danach sind die Gefäßwände noch genügend offenporig, aber doch stabil genug und bereit für den Rauchbrand. In großen Metalltonnen werden sie diesmal der unberechenbaren Hitze eines offenen Feuers ausgesetzt. Je nach dem, ob Sägespäne oder Holz verschiedener Baumarten, Laub und Tannenreiser, Nussschalen oder Moos, Maisblätter, Heu und Stroh, Papierarten, Bananen- und Apfelsinenschalen oder getrocknete Kirschkerne, Kaffeemehl usw.usf. verbrannt werden, durchziehen die unterschiedlichsten Dämpfe die porösen Scherben. Bisweilen können zugesetzte Salze farbgebend wirken. Um die tönernen Objekte faucht, knistert und schmaucht der Rauchbrand über mehrere Stunden und zerfällt langsam in eine glühende und lange kokelnde Ascheglut …

Es stellt einen berührenden Moment dar, wenn aus der kalten graustaubigen Asche die Geschöpfe wieder herausgeholt werden: kaum sind sie wiederzuerkennen, verkrustet, fleckig und schmutzig, bisweilen gesprungen oder mit Scharten. Man wäscht sie, kratzt vorsichtig die Krusten ab, behandelt sie nach Bedarf mit Milch, Wasserglas, reibt sie mit einem Bienenwachs ein. Und dann beginnt ein erneutes Poliergespräch mit dem nun gebrannten Ton: kreisend fahre ich wieder und wieder die Flächen entlang, den innewohnenden Glanz hervorlockend, und lasse mir von den Rauchspuren erzählen, wie individuell prägend und unberechenbar ein Weg durch Feuer, Rauch und Asche ist. Wie beglückend, dass genau solche Spuren zum ästhetisch faszinierenden, unvorhersehbaren Schmuck eines einzigartigen organoiden Gegenstandes werden können!

Der Rauchbrand ist ein auf viele Bereiche des Lebens übertragbares Bild, ein Aspekt von Wabi-Sabi.


 
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Skulptur - Bewegung - Tanz

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Versuch über Wabi-Sabi